Ein Papst in Burma

Ein Papst in Burma

Pontifex Maximus Burmensis

Eigentlich war Myanmar nur zweite Wahl. Eigentlich wollte Franziskus zuerst nach Indien. Doch dort drängten einflussreiche national-hinduistische Interessenverbände die Politik, einen solchen Besuch nicht voranzutreiben. So entschied man kurzerhand in Rom, neben Bangladesch auch noch Myanmar einen pontifikalen Besuch abzustatten. Diese Entscheidung war neheliegend. Denn die jüngste Annäherung des Heiligen Stuhls und der Regierung Myanmars hatte zu einen das Ergebnis der Einrichtung beiderseitiger diplomatischer Vertretungen, als auch die Einladung an Papst Franziskus, Myanmar zu besuchen, was dieser auch gleich in die Realität umsetzte.

Ein Papst in Burma

Dass dies nicht nur ein bis heute einzigartiges Geschehen werden würde, da noch nie ein Papst in Myanmar war, sondern auch eine delikate Begegnung mit den politisch-religiösen Kräften Burmas, wird deutlich, wenn man sich kurz die Geschichte des Landes vor Augen hält, die ein Verstehen der Tragweites und der Brisanz des Papstbesuches ermöglicht.

Ein Land – viele Staaten

Myanmar, das ehemalige Burma, wird geprägt von den mehrheitlich buddhistischen Birmanen, die etwa 68% der Bevölkerung ausmachen.

Daneben gibt es 134 so genannte „ethnische Minderheiten“ und Volksgruppen, die über 30 % der Bevölkerung ausmachen. Die größten Volksgruppen sind die Shan und die Wa im östlichen Grenzgebiet zu China. Die Kachin im Norden sind mehrheitlich christlich, die Karen im Südosten sind teilweise christlich, dazu die Mon im Süden sowie die Arakanesen und die Chin im Westen. Im Grenzgebiet zu Bangladesch leben zudem die Rohingya, die eine muslimische Volksgruppe bilden.

Das Militär putschte 1962 an die Macht und verweigerte den Minderheiten das Recht auf Autonomie. Dazu bediente es sich des Buddhismus als Mittel zur Stärkung der nationalen Einheit. Seitdem ist Birma eine Militärdiktatur, gegen die sich zwei unterschiedliche Formen des Widerstands entwickelten.

Auf der einen Seite findet man den bewaffneten Widerstand. Im Nordosten kämpfen die Kachin bis heute. Das gleiche gilt im Osten für die Wa und den Widerstand der Shan.

Im Shan-Staat führte die birmanische Armee im Sommer 2009 eine Offensive durch, um das Gebiet wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Über 30.000 Shan flohen in die benachbarte chinesische Provinz Yunnan.

Weiter südlich waren die Karen ebenfalls Ziel einer Offensive im Jahr 2009. In Lagern auf birmanischem Staatsgebiet leben zehntausende Karen, die vor den Kämpfen geflohen sind. Seit 2011 leben in Thailand 150.000 Karen ebenfalls in Flüchtlingslagern entlang der Grenze. Letztendlich gelang es der birmanischen Armee, die Rebellenbewegung erheblich zu schwächen.

Demokratischer Aufbruch

Die zweite Form des Widerstands ist die politische Seite, die in einer demokratischen Oppositionsbewegung und in der Persönlichkeit von Aung San Suu Kyi zum Ausdruck kommt. Im September 1988 gründete sie mit anderen Aktivisten die Nationale Liga für Demokratie. 1990 erhielt die NLD bei freien, aber für ungültig erklärten Wahlen 80 % der Stimmen. Aung San Suu Kyi daraufhin unter Hausarrest gestellt, erhielt 1991 den Friedensnobelpreis. 1995 wurde der Arrest aufgehoben, aber im Jahr 2000 erneut verhängt. Erst im Laufe der politischen Reformen kam sie am 13. November 2010 erneut frei. Ein paar Monate später, im März 2011, wurde die Militärregierung aufgelöst.

Nach dem offiziellen Ende des Militärregimes kam es zu einem langsamen und ungeordneten Übergang Myanmars zur Demokratie, und 2016 Aung San Suu Kyi an die Macht mit einem sog. Programm zur nationalen Aussöhnung. Doch da dem Militär weiterhin ein Viertel der Parlamentssitze, sowie entscheidende Schlüsselministerien vorbehalten bleiben, gestaltet sich der Umbau des Landes als schwierig. (Quelle: arte)

Trotz mehrerer Waffenstillstandsvereinbarungen mit den Minderheiten der Shan und der Kachin kommt es immer wieder zu heftigen bewaffneten Konflikten mit dem Militär. Einer die vielen vergessenen und unbeachteten Bürgerkriege dieser Welt.

Christen in der Minderheit

Das Rohingya-Problem soll hier nicht eigens besprochen werden. Dies fand bereits viel Beachtung. Mindestens genau so viel Aufmerksamkeit verdienen die Konflikte der anderen Minderheiten. Insbesondere, da es sich dabei um christliche Minderheiten handelt, denen nicht nur die Sorge Kardinal Bos aus Yangon gilt, sondern auch die des Papstes. Nur: Wie spricht man von etwas, von dem jeder weiß, das aber niemand beim Namen nenne darf, um eskalierende Konflikte nicht heraufzubeschwören?

Dazu zwei Strategien. Zunächst die weltliche: Die Regierung und das Militär in Myanmar hielten im Vorfeld des Papstbesuches „den Ball ziemlich flach“. Kaum Berichterstattung oder Ankündigungen in den Medien, höchstens Randnotizen unter „Ferner liefen“. Schließlich ist es nur der Besuch einer Führungsperson einer 4%igen christlichen Minderheit in Myanmar. Also kaum der Rede wert. Als es doch zu starken Protesten nationalistisch-buddhistischer Gruppen kam, war das Militär fast dazu bereit, den gesamten Besuch abzusagen. Soweit kam es dann doch nicht.

Ein Papst in Burma

Und die kirchliche Strategie: Die Kirche in Myanmar ließ sich auf dieses Spiel ein. Intern gut vorbereitet hat sie nach Außen nicht die Gelegenheit genutzt, sich in den Vordergrund zu spielen. Erst kurz vor dem Besuch kündigten große Plakate den Besuch Franziskus´ an. Zugleich erhielt Papst Franziskus ein Briefing durch Kardinal Bo: Die Kirche in Myanmar bemüht sich mehr und mehr um Versöhnung und Ausgleich zwischen den ethnischen Gruppen und religiösen Minderheiten. Die Konflikte beim Namen zu nennen führt in Asien nur zum Gesichtsverlust und zerstört die bereits gemachten Erfolge. Papst Franziskus hielt sich daran. Was er sagte, entsprach seinen Grundsätzen und Prinzipien. Wer seine Botschaft hören wollte, der konnte sie verstehen. Sie richtete sich dabei an alle Seiten der Konfliktparteien.

Amor & Pax

Sein vornehmliches Ziel: Liebe und Frieden. Diese Botschaft verkündete der Papst beim Treffen mit der Regierung, mit dem Obersten Sangha, also den wichtigsten Mönchen und Äbten Myanmars, als auch beim Jugendgottesdienst in der St. Mary´s Cathedral in Yangon. Insbesondere aber beim großartigen Gottesdienst im Kyaikkasan-Stadion in Yangon.

Gott kennt das Leid, das Menschen aushalten müssen. Jesus hat es selbst erfahren, Maria auch. Aber beide ertragen es und greifen nicht zur Gewalt. Jesus lädt ein, für die Feinde zu beten und den Nächsten zu lieben. Ein unspektakuläres, aber um so klareres päpstliches Bekenntnis zum Pazifismus.

Ein weiterer Satz, der den Christen in Myanmar sehr zu Herzen gehen musste: „Ihr seid eine kleine Kirche in Myanmar, aber ihr seid eine lebendige Kirche, weil Christus in Euch lebendig ist“. Ein Satz, mit dem er alle etwa 150000 Gottesdienstbesucher berührte und der kleinen burmesischen Kirche viel Mut machte. Nicht nur den einheimischen Mitbrüdern um mich herum standen dabei die Tränen in den Augen, sondern auch meinem evangelischen Kollegen und mir.

Ein Papst in Burma

Ein weiteres zentrales Ereignis des Gottesdienstes: die Gabenprozession. Man kennt sie ja von pontifikalen Gottesdiensten, zusammengesetzt aus Jungen und Alten, Einzelpersonen, Berufsgruppen, Kranken und Gesunden.

Diesmal war es eine Prozession der Ethnien Myanmars. Alle großen Volksgruppen waren vertreten, angetan mit ihren bunten und filigranen Trachten und spezifischen Kleidungsstücken. Die Gabenprozession war ein liturgisches Bekenntnis zur ethnischen Vielfalt dieses Landes und ein Sinnbild friedlichen Zusammenlebens. Viele werden sich gewünscht haben, dass es immer und überall in diesem Lande so sein mag.

Communio internationalis

Bewegend vor allem der Moment der Kommunionausteilung. Ganz am Ende des riesigen Sportfeldes hatte ich die Möglichkeit, mehreren Kachin die Eucharistie auszuteilen. Zwei tiefgreifende Gefühle standen ihnen buchstäblich ins Gesicht geschrieben: Da war zunächst die tiefe Freude, die Kommunion zu empfangen – ein Moment, auf den sich viele wochenlang vorbereitet hatten, zudem an dieser Messe überhaupt teilzunehmen und dem Papst wenigstens einmal im Leben zu begegnen. Teilweise warteten Menschen dieser Gruppe schon seit zwei Tagen und Nächten auf freiem Feld auf diesen Augenblick.

Ein Papst in Burma

Zum anderen die Strapazen der Anreise und die Sorge der Heimreise. Vielen Menschen, Kindern, Jungen und Alten sah man an, wo sie herkamen. Sie hatten die beschwerliche tagelange Anreise auf sich genommen und dabei zwei Frontlinien überqueren müssen. Die der Armee und der Rebellen – und das unter Todesgefahr. Diese Rückreise lag nun wieder vor ihnen, ungewiss, ob man dies auch wirklich ohne Schaden überstehen würde.

Natürlich reichten die Hostien nicht. Kurzerhand baten die Menschen um Handauflegung, Berührung und Segen. Man brachte Alte und Kranke zu mir, Kinder scharten sich um mich herum und alle baten um ein gutes Wort, auch wenn sie noch nicht einmal der englischen Sprache mächtig waren. Große erwartungsvolle Augen schauten mich an. Menschen die unter der Berührung zitterten, Kinder die mir um den Hals fallen wollten, Eltern mit Tränen in den Augen beim Segen über ihre Kinder. Kranke, verwundete, blinde und behinderte Menschen mit meiner Hand an ihre Stirn gedrückt, kraftvoll und den Moment bewahrend, und alle voll tiefer Dankbarkeit und Ergriffenheit. Als der Gottesdienst schon lange zu Ende war, war ich immer noch von diesen großartigen Menschen umgeben. Einen solch intensiven Augenblick seelsorglicher Nähe hatte ich in meinen 23 Dienstjahren noch nicht erlebt.

Segen auf dem Weg

Ein Papst in Burma

Dies wiederholte sich dann beim Besuch im Bischofshaus bei Kardinal Bo, ein Tag nach der Abreise von Papst Franziskus. Er hatte noch eine 24köpfige Kachin-Pilgergruppe zu Besuch. Zusammen konnten wir noch die neue Figur von Papst Franziskus vor dem Bischofshaus aufstellen. Alle wieder zutiefst glücklich, aber auch voller Sorgen über die Zukunft des Landes. „Papst Franziskus hat alles richtig gemacht“, sage ich zum Kardinal. Er bestätigt es und fügt mit nachdenklichem Blick hinzu: „Er hat die Christen in Myanmar reich beschenkt. Und mit diesem Geschenk machen sich diese Kachin nun auf den Weg nach Hause, in den Norden. Aber keiner weiß, welche Gefahren auf diesem Weg noch auf sie warten.“

Gemeinsam beten wir noch, verabschieden uns und wünschen uns gegenseitig, was Inhalt der Papstreise nach Myanmar war: Love and Peace.

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