Nikolaus kommt dreimal
Die frühen Legenden über den Bischof Nikolaus versuchen in wiederholter Weise, den ansteigenden Grad seiner Heiligkeit fantasievoll auszuformen. Je intensiver sich Nikolaus dieser Heiligkeit nähert, um so ungenauer ist seine zeitliche, wie räumliche Positionierung möglich. Während er sich auf dem Meer um die in Seenot geratene Schiffsbesatzung kümmert, bemüht er sich gleichzeitig an Land um die Freilassung zu Unrecht verurteilter Gefangener.
Man spricht dann von Bilokation und meint die angebliche Fähigkeit einer Person, an zwei Orten gleichzeitig zu sein. Diese, von dem unbändigen Wunsch erfüllt, Gutes zu tun, fühlt sich so stark, dass sie an einem Ort ihre Pflicht erfüllen und zeitgleich an einem anderen Ort ihrer Bestimmung nachgehen kann.
Zum Ersten…
Wenn auch diese wunderbare Qualifikation nicht über die Jahrhunderte gerettet werden konnte, so war der Heilige Nikolaus im vergangenen Dezember 2017 zwar nicht gleichzeitig, aber doch an mehreren Orten Südost-Asiens zu entdecken. Drei Gemeinden konnten in Kinder- und Familiengottesdiensten erleben, wie der Heilige Mann aus seinem Leben erzählte und die Kinder anschließend mit Segen und Nikolaustüten beschenkte. Dreimal erschien der Sankt Nikolaus, sowohl in Phnom Penh als auch in Bangkok.
Aber zunächst war es eine Premiere für die Deutschsprachige Gemeinde in Yangon, Myanmar. Zusammen mit dem neuen evangelischen Kollegen Pastor Carsten Körber reiste Pfarrer Jörg Dunsbach, beide aus Bangkok, in die burmesische Großstadt, um dort mit der Gemeinde zunächst am Papstbesuch teilzunehmen. Franziskus ging, Nikolaus kam. Anfang Dezember nahm daher die ohnehin junge, etwa 25 Mitglieder starke Gemeinde mit Familien und Kindern die Einladung dankend an. Pastor Körber verwandelte sich während der Katechese durch das Anlegen der bischöflichen Gewänder langsam in den heiligen Mann. Unter seinen gütigen Augen feierte die Gemeinde anschließend noch die Eucharistie in der Kapelle des Bischofshauses von Kardinal Bo, der als Gastgeber immer erfreut ist über die Anwesenheit der deutschsprachigen Gemeinde, diesmal mit bischöflichem Mitbruder im Geiste.
Zum Zweiten …
Zurück in Bangkok bot diesmal das katholische Pfarrhaus den Rahmen für die ökumenische Nikolausfeier. Unter dem Motto „Nikolaus – das Original“ führten die beiden Pfarrer in ähnlicher Weise die 70 Kinder zum Verständnis der Botschaft des Heiligen Nikolaus hin. Jenseits vom nichtssagenden „Hohoho“ und einer inflationären Cokacolabutzelmannverkleidunge erlebten die Kinder einen wahren Bischof, der den Menschen deshalb Gutes tat, weil er aus der Freundschaft zu Jesus lebte und seine Botschaft vom Heil verkünden wollte. Begleitet vom Bläserquartett der Mahidol-Musikuniversität erklangen prächtig die bekannten Nikolauslieder, die auch die 80 Erwachsenen einluden, kräftig mit zu singen. Original Weihnachtsplätzchen, süßer Marzipanstollen und heiße Nikolauswürstchen rundeten das Fest zudem kulinarisch ab.
Und zum Dritten …
Der letzte Akt im episkopalen Hattrick bildete dann der ebenfalls ökumenische Besuch in der Gemeinde in Phnom Penh. Besser hätte der Ort für die Familien-Nikolausfeier nicht gewählt sein können. Am Ufer des Bassac, eines Seitenarms des Mekong, der sich in der kambodschanischer Hauptstadt verzweigt und parallel zum Mekong dem Delta zustrebt; eingeladen von einer dort wohnenden Familie inmitten einer großräumigen Parkanlage, einem weiten grünen tropischen Garten mit Pool, Spielplatz und Blick auf den Fluss – dort erzählte Nikolaus dann zum dritten Mal, wie er den Seeleuten auf dem Schiff im Sturm die Angst nahm. Zuvor verwandelte sich der evangelische Pfarrer erneut durch das Anlegen der liturgischen Gewänder in den legendären katholischen Bischof. Fokussierte Ökumene par excellence. Die 50 Kinder und Erwachsenen beteten gemeinsam in konfessioneller Vielfalt, vereint im Singen der bekannten Nikolaus-, Advents- und Weihnachtslieder. Beim anschließenden Grillen im Garten bestand noch viel Möglichkeit zu Gespräch und Begegnung und für die Kinder sorgenloser Raum zum Toben und Spielen.
Alles in Allem ein Engagement, das sich in drei Ländern gelohnt hat. Die vergangenen zwei Jahre waren geprägt durch die Entsendung weniger Familien. Die Zahl der Familien mit Kinder und Jugendlichen in den Gemeinden ging deutlich zurück. Aber seit etwa einem Jahr wachsen die Gemeinden wieder, deutlich erkennbar an der Anzahl der Kinder, die die an Kirche interessierten Eltern auch mit zu den unterschiedlichen Gottesdienst mitbringen.
Christlich-europäisches Brauchtum in Asien
Insbesondere die Kinder- und Familiengottesdienste üben eine starke Anziehungskraft aus. Da es ja um den Religionsunterricht im Grundschulalter in Südostasien schlecht bestellt ist, nehmen die Eltern gerade diejenigen Angebote gerne wahr, die diese Lücken zwar nicht füllen können, aber zumindest eine Möglichkeit bieten, Katechese zu erleben und den Kontakt zu Glaube und Kirche für Kinder erfahrbar machen zu können.
Für viele Familien sind die Nikolausfeiern die einzige wahrgenommene Chance, wenn auch im traditionellen-weihnachtlichen Umfeld noch einmal etwas von Kirche mit zu bekommen. Sollte dieses Angebot nicht mehr bestehen, dann bleiben – zumindest in Südostasien – wirklich nur noch die degenerierten rotbemützten Weihnachtsmannderivate übrig. Wir sollten jenen nicht das Feld überlassen, das eigentlich der Botschaft vom Heiligen Nikolaus gehört.