Laotische Zeitdilatation

Laotische Zeitdilatation

Zeit ist relativ

„In Laos geht alles etwas langsamer“, sagt Hartmut Janus von der GIZ in Vientiane – eine der wohl unbekanntesten Hauptstädte Südostasiens. Und recht hat er. Zwar hat sich die Hauptstadt doch zusehends verändert in den fünf Jahren, als ich zum ersten Mal in Laos war, aber dennoch bleibt das Land in Lebensweise und Entwicklung deutlich hinter den rasanten Umbrüchen anderer asiatischer Staaten zurück. Gründe dafür finden sich nicht nur in der jüngeren Geschichte, sondern auch in der politischen Situation, sowie in der Binnenlage dieses Landes, das keinen Zugang zum Chinesischen Meer oder zur Andamanensee hat.

Dennoch gibt es Aufbrüche – gerade in der Hauptstadt.

Laotische Zeitdilatation

„Nein, wir sind kein kommunistisches Land!“, widerspricht mir entsetzt Sammy, mein privater Taxifahrer aus der Demokratischen Volksrepublik Laos, der mir auch das Umland von Vientiane zeigt. „Jedenfalls nicht, wie Ihr Euch das in Europa vorstellt.“ Und tatsächlich – die Selbstorganisation der Bevölkerung im Mikrokosmos marktwirtschaftlicher Bestrebungen ist zwar zaghaft, aber dennoch überall zu erkennen. Sogar die erste Shoppingmall westlichen Standarts macht sich breit, wenn auch das Preisniveau es dem Normallaoten unmöglich macht, den Versuchungen des Konsums zu erliegen.

Nightlife laotisch

Stattdessen hat sich der berühmte Nachtmarkt innerhalb der letzten fünf Jahre von einem kleinen Antiquitätenmarkt zu einem brausenden Spektakel über einen Großteil der sogenannten Promenade entlang des Mekongs entwickelt. Wie aus dem Nichts wachsen an jedem Nachmittag die Verkaufsstände mit Bedarfsgegenstände für das alltägliche Leben, gespickt mit Nippes und Pupes aus vietnamesischer Billigproduktion aus dem Boden. Während der Night-Market-Rush-Hour ist dann fast kein Durchkommen mehr möglich. Aber ab 23.00 Uhr verschwinden die Stände wieder so schnell, wie sie entstanden sind. Alle roten Pavillions, samt Angebot werden auf Karren verpackt, die dann von einer halsbrecherichen Flotte von Motorrädern abtransportiert werden. Danach ist die Promenade wieder menschenleer, während sie vorher von tausenden vor allem Kinder, jugendlicher und junger Erwachsenener bevölkert wurde und – oh Wunder – von allem Müll und Unrat befreit.

Hartmut Janus bestätigt meinen Eindruck des zaghaften Aufschwungs. „Die ASEAN-Konferenz im vergangenen Jahr sorgte insbesondere für den Neubau von Häusern und Hotels in der Nähe des Flusses. Aber leider steht ein Großteil davon nun leer, weil sich niemand diesen Wohnraum leisten kann“. – Außer den Chinesen, die das neu gebaute, alles andere als laotisch erscheinende Architekturmonster mit Mekongblick besetzt haben.

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Sammy zeigt mir dann auch die Nam-Ngum-Talsperre, in den Jahren 1968-1984 erbaut, die insbesondere der Stromerzeugung dient und der Versorgung des Landes mit Elektrizität dienen soll. Reizvoll auf der einen Seite, aber erschreckend, wie hier in die Natur eingegriffen wird, da der Stausee eine riesige Fläche bedeckt.

Streitpunkt: Wasser

In gleichem Maße wird der Mekong überreguliert. Während vor fünf Jahren der Fluss noch bis an die Promenade in Vientiane mit seinen braunen Fluten heranreichte – sogar zur Trockenzeit -, liegen die Schwemmlande nun im Trockenen. Die Mega-Staudammprojekte Chinas und auch Laos´am Oberlauf des Mekong regulieren die Wassermenge auf ein einheitliches, aber niedriges Maß. Stromerzeugung, Trinkwassergewinnung und Bewässerung schränken die schwankenden Pegelstände des Flusses enorm ein, wenngleich auch immer mit Überflutungen zu rechnen ist, wenn in China aus welchen Gründen auch immer die Dämme geöffnet werden. Nachhaltige Umweltplanung und verantwortlicher Umgang mit Wasser sieht anders aus.

Sammy zeigt mir noch das große Gebäude der „Électricité du Laos“ – das letzte Unternehmen in staatlicher Hand. „Natürlich gibt es Privatisierung, aber die großen Unternehmen gehören den großen Familien, die wiederum in der Regierung vertreten sind.“ Semistaatliche Privatisierung auf laotisch.

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Das Potential von Entwicklung ist also noch hoch. Daher auch die Vielzahl von internationalen Entwicklungshelfern in allen gesellschaftlichen Bereichen. Darunter auch einige deutschsprachige Mitarbeiter internationaler und nationaler Organisationen. Europäische Unternehmen haben noch nicht wirklich Fuß gefasst in Laos. Da wird die Zukunft zeigen, wie verlässlich internationale Verträge durchsetzbar bleiben. Aus diesem Klientel setzt sich auch die deutschsprachige Gemeinde zusammen, die zum ersten Mal zum katholischen Gottesdienst eingeladen war. Herr Botschafter Grau und seine liebe Gattin öffneten die deutsche Vertretung. Wenn auch beim Gottesdienst am Pfingstsamstag die Teilnehmerzahl überschaubar war, so bleibt doch Grund zur Hoffnung, dass – wenngleich in Laos auch alles etwas langsamer geht, die Gemeinde dort in Zukunft noch wachsen wird.

Würdigung durch Vatikan

Papst Franziskus jedenfalls legt besonderen Wert auf die südostasiatischen Staaten. Nach Bangkok und Myanmar hat er nun auch für Laos einen Kardinal ernannt. „Bischof Louis-Marie Ling Mangkhanekhoun (73) ist aus Laos gebürtiger Apostolischer Vikar von Paksé in seinem Heimatland. Er studierte in Laos und in Kanada, empfing die Priesterweihe 1972, erfand eine Katechistenschule und ein System der Seelsorgebesuche in den abgelegenen Bergdörfern in Laos. Die Katholiken in dem südostasiatischen Land leben in einer extremen Diasporasituation, ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,5 Prozent, es besteht eine Situation der Unterdrückung der Kirche. So gibt es in Laos keine Bistümer, sondern bisher bloß Apostolische Vikariate.“ (Quelle: Radio Vatikan)

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