Neujahrsgruß 2015

Neujahrsgruß 2015

Inflation guter Vorsätze

Lassen Sie es am besten sein. Fangen Sie erst garnicht damit an! Wieso soll es in diesem Jahr anders sein?

Na, oder was soll ich dazu sagen, wenn es um gute Vorsätze geht? Wie ist es denn damit: Weniger essen, weniger Alkohol oder Genussmittel, weniger Stress, weniger Arbeit, und, und, und…

Die einzige Kontinuität, die es bei guten Vorsätzen zum neuen Jahr gibt, ist, dass sie sich schon bald wieder verabschiedet haben. Manche schon mit dem letzten Böller in der Sylvesternacht.

Neujahrsgruß 2015

Also eigentlich ziemlich frustrierend, diese Sache mit den guten Vorsätzen. Wäre es da nicht besser, ehrlich zu sein und sie erst garnicht aufzustellen? Dann habe ich da etwas für Sie:

Meistens ist es ja so, dass man eben irgendetwas lassen will, oder auf etwas verzichten möchte. Ich schlage deshalb einen Perspektivwechsel vor: Statt einem Weniger vielleicht ein Mehr…

Auf diese Idee hat mich jemand aus der Gemeinde gebracht, der mir bei einem Gespräch einen sehr interessanten Text geschenkt hat. Er stammt ursprünglich von Bronnie Ware, einer australischen Autorin, die aufgrund ihrer Arbeit mit Schwerstkranken und Sterbenden ihre Erfahrungen zusammengefasst hat. Und darin heißt es:

5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen

Versäumnis Nr. 1: Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mir selbst treu zu bleiben, statt so zu leben, wie andere es von mir erwarteten.

Versäumnis Nr. 2: Ich wünschte, ich hätte nicht soviel gearbeitet.

Versäumnis Nr. 3: Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen.

Versäumnis Nr. 4: Ich wünschte, ich hätte den Kontakt zu meinen Freunden gehalten.

Versäumnis Nr. 5: Ich wünschte, ich hätte mir mehr Freude gegönnt.

Zugegeben – das klingt auf den ersten Blick sehr traurig. Denn es schwingt so etwas mit wie: Hätte ich doch; wäre ich doch; würde ich doch… Also ziemlich viele Konjunktive und dadurch eben alles sehr utopisch, wenn nicht sogar unmöglich. Für die, die das so formuliert haben, war es auch bestimmt unerreichbar.

Deshalb heute die Einladung, es garnicht soweit kommen zu lassen. Also ein neues Jahr, das jedem Bereuen oder Bedauern von vorne herein schon das Wasser abgräbt. Also ein Jahr, – nicht mit Einschränkungen und Verzicht, sondern mit ungeahnten Chancen und unerwarteten Möglichkeiten. Also drehen wir die Versäumnisse um und machen sie zu einer Schatzkiste für das neue Jahr:

5 Chancen, die das neue Jahr bietet:

Chance Nr. 1: Ein Jahr zum Entdecken, wer, was und wie ich bin und dies als meine Relaität zu schätzen und stolz darauf zu sein: Nämlich ein unverwechselbarer, einmaliger Mensch zu sein.

Chance Nr. 2: Ein Jahr, die Pausen zu planen, sie sich zu nehmen und zu füllen – auch mal mit einem zweckfreien und genussvollen Nichtstun.

Chance Nr. 3: Ein Jahr, sensibel zu sein für das, was ich brauche, was mir fehlt, was mir gut tut, was mich stört, was mir auf die Nerven geht, was mich erhebt, was mich glücklich macht – und all das auch vertrauensvoll mit anderen zu teieln. Weinen und Lachen, Freude und Schmerz, Lust und Leid, Sehnsucht und Enttäuschung – dieses ganze Prisma so vieler Emotionen ist ein weites Feld, das mein Menschsein ausmacht. Ein Schatz, den man heben kann und nicht vergraben muss.

Chance Nr. 4: Ein Jahr, sich seine Adressbücher vorzunehmen – die in meinem Kopf, aber auch die vielen anderen in Telefon oder Computer, die sogenannten „Freunde“ in den sozialen Netzwerken (von denen nämlich viele gar keine sind!), oder auch die noch von Hand in einem Buch Aufgeschriebenen. Da wird man überrascht sein, wen man alles findet. Ein gute Möglichkeit, sich von einigen zu trennen und auf die Wichtigen mehr Wert zu legen. Denn die guten Freundinnen und Freunde sind es wert, mit ihnen – so weit es geht -, das Leben zu teilen.

Chance Nr. 5: Vergiss das Leben nicht! Entdecke die Möglichkeiten! Nutze den Tag, die Nacht, Dein ganzen Leben, denn Du hast nur eins und es geht schnell vorbei. Also mach was draus! Und Du hast alles Recht der Welt, es Dir mit aller Dankbarkeit so gut wie möglich gehen zu lassen. Sorgen gibt es immer noch genug, aber vergiss das Leben in Fülle nicht.

Also dann auf französisch: Bonne Chance! – was soviel heißt wie: Viel Glück!

Und das wünsche ich Ihnen zum neuen Jahr 2015. Möge es Ihnen gelingen, diese Chancen zu nutzen. Dazu schenke Ihnen allen Gott seinen Segen und seine Nähe in diesem neugeborenen Menschensohn, der gekommen ist, damit wir das Leben haben und es in Fülle haben (Joh 10,10).

Herzlich

Jörg Dunsbach

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