Kosmos und Chaos
Seitdem es Menschen gibt, schauen sie in den Himmel – nicht nur bei Tag, sondern vor allem bei Nacht.
Und was stellen sie bei diesem Blick fest: Alles bleibt, wie es ist. Zwar gibt es Rhythmen im Laufe des Jahres und Wanderer am Firmament (gr.: Planetoi), aber am Himmel bleibt immer alles gleich. Darauf ist Verlass.
Unser tief verwurzeltes Vertrauen in die Verlässlichkeit des Himmels ist der archetypische Urgrund unseres Gott-Vertrauens. Dort, wo immer alles gleich ist zum Unterschied zu den Veränderungen auf der Erde, wo die Menschen sind -, dort im Himmel müssen die Götter herrschen. Oben der Kosmos, unten das Chaos.

Die Ägypter personifizierten daher kosmische Ordnung mit der Göttin Ma’at. Sie ist verantwortlich für die Existenz von Himmel und Erde, dem Aufgang der Sonne bis hin zur regelmäßig wiederkehrenden, lebenspendenden Nil-Flut.
Ihr Bruder, der Sonnengott Re, trägt mit dem Beginn der Nacht die Sonne auf der Barke durch die Unterwelt. Der Pharao muss mit seinen Opfern die Götter bei Stange halten. Kommt er seiner Pflicht nicht nach, steht die Verlässlichkeit des Kosmos auf dem Spiel. Was für ein Unglück, wenn die Sonne nicht mehr aufgehen würde!

Die Sumerer und Babylonier hatten zwar nicht – wie die Kelten – die Angst, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fällt, aber sie beobachteten die Gestirne und waren sogar schon in der Lage, Mond- und Sonnenfinsternisse zu berechnen und vorher zu sagen.
Die griechischen Naturphilosophen haben dieses Wissen übernommen. Sie berechneten sogar den Erdumfang erstaunlich genau (Kugel!) und stellten die Sonne in den Mittelpunkt. Nach Sokrates ging dieses Wissen aber wieder teilweise verloren. Ptolemäus erklärte das geozentrische Weltbild sehr genau mit Hilfe von Epizyklen – Planeten bewegen sich kreisend auf Kreisbahnen um die Erde.

Die frühe Kirche übernahm das damals wissenschaftlich anerkannte antike Weltbild und berechnete aus den Epizyklen von Sonne und Mond sogar den Ostertermin: Immer der erste Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond.
Das Patriarchat von Alexandrien legt seit dem 3. Jahrhundert (Osterstreit) für die römische Kirche mit Hilfe sog. Computisten (antike Fachleute zur Berechnung der Mondphasen und des Kalenders) den Frühlingsanfang auf den 21. März fest und errechnet den nächsten Frühlingsvollmond – allerdings ungeachtet des tatsächlichen solaren Äquinoxium, also der Tag- und Nachtgleiche. Die Kirche ging immer aus von den regelmäßig wiederkehrenden, zyklischen Vollmonden – dem sog. Meton-Zyklus. Soweit die Faustregel.
Regel und Ausnahme
Aber keine Regel ohne Ausnahme: 2019 haben wir am frühen Morgen des 21. März einen Vollmond, also sollte nach der genannten Regel am darauffolgenden Sonntag, am 24. März, Ostern sein. Tatsächlich steht aber als Osterdatum der 21. April 2019 im Kalender, der Sonntag nach dem – diesmal – zweiten Frühlings-Vollmond am 19. April.

Dies ist das Oster-Paradoxon. Zur Berechnung des Osterdatums wird nämlich nicht das tatsächliche Datum der astronomischen Vollmond-Erscheinung verwendet. Vielmehr werden die Daten aus der zyklischen Reihe aufeinander folgender Vollmonde (Meton-Zyklus) bestimmt. Die so ermittelten Vollmonddaten für die Osterberechnung können um einen Tag von den astronomischen Vollmonden abweichen. Und dies ist nunmehr der Fall. Zuletzt war 1974, und das nächste Mal wird es 2038 sein.
Ostern fällt daher dieses Jahr auf Sonntag, den 21. April 2019.
Palm-Songkran
Der Mondkalender ist in asiatischen Staaten und Kulturen immer noch sehr prägend, hängen doch dort die großen Festdaten von eher astrologischen Umständen ab. Das Songkran-Fest ist ein gutes Beispiel. Früher wechselnd, so ist es heute aus organisatorischen Gründen festgelegt auf die Tage um den 13. April. Wer dies einmal mitgefeiert hat, der weiß, wie viel an Festlichkeiten, ausgelassener Stimmung und vor allem: dass sehr viel Wasser an diesem Fest hängt.

Heuer fällt das thailändische Songkran-Festival genau auf unseren christlichen Palmsonntag. Das hat dieses Mal Konsequenzen. Um dem feucht-fröhlichen Trubel zu entkommen, verlassen viele der Expatgemeinde die Stadt – und ich diesmal auch. Daher fällt in diesem Jahr der Palmsonntag buchstäblich ins Wasser und damit aus.
Die Osterfeierlichkeiten unserer Gemeinde begehen wir dann am Samstag, den 20. April 2019 ab 19.00 Uhr mit der Feier der Osternacht im Pfarrhausgarten, anschließend Agape-Feier mit vielen kleinen Köstlichkeiten.
Wie auch immer Ostern berechnet, wann auch immer Songkran gefeiert wird – zu allen Zeiten bleibt der Blick in die Sterne. Das ist der gute Rat von Stephen Hawking, mit dessen Vermächtnis ich schließen will: „Deshalb schaut zu den Sternen und nicht hinab auf Eure Füße. (…) Seid neugierig, und wie schwer auch immer das Leben scheinen mag, so gibt es doch immer etwas, das ihr tun und worin ihr erfolgreich sein könnt. Es kommt darauf an, nicht aufzugeben.“
In diesem Sinne noch eine gesegnete Fastenzeit und Vorfreude auf Ostern.
Herzlich
Jörg Dunsbach, Pfr.