Glauben, Leben und Sterben in Toraja
Sulawesi – das frühere Celebes – ist eine indonesische Insel, die zum Glück nicht unbedingt auf den Reiserouten der Touristenströme liegt. Gerade deshalb hat sich die Volksgruppe der Toraja ihre eigene Kultur bis heute größtenteils erhalten können.

Kommen und gehen
Es ist gar nicht so leicht, nach fast einer Woche im Herzen von Sulawesi die Provinz Toraja wieder zu verlassen. Die ohnehin halsbrecherische Dschugelstraße, die sich über 10 Stunden von Makale bis nach Makasar über hohe Bergpässe, tiefe Regenwälder und weite Reisfelder zieht, wird mehrfach gesperrt von Horden wild hupender Motorradfahrer, die als Vorhut den Weg frei machen für den Rücktransport von Verstorbenen auf geschmückten Lastwagen aus der Inselhauptstadt zurück in ihre Heimat. Ein Schwertransport, der mehr dem Empfang einer berühmten Persönlichkeit entspricht, als vielmehr der einfachen Überführung eines Toten.
Es ist ein geheimsinvolles Land und Volk, das im Hochland von Sulawesi lebt. Die Traditionen der Toraja überdauerten Jahrhunderte. Ihr Totenkult ist einzigartig und legendär. Doch dazu später mehr.

Verstehen kann man das alles nur, wenn man weiß, welcher Mythos und welches Selbstverständnis dem Leben (und Sterben) der Toraja existentiell zu Grunde liegt: Aluk Todolo – die Lebensweise der Vorfahren.
Wie im Anfang so auch jetzt
Wie überall in Indonesien gibt es auch hier die fünf offiziell anerkannten Religionen Islam, Buddhismus, Christentum, Hinduismus und Konfuzianismus. Diese Religionen bilden die offensichtliche Kruste religiösen Lebens auf dem Inselstaat. Tatsächlich wird das Leben immer noch von weit tiefer liegenden und viel älteren Religionen, Mythen, Kulturen und Überlieferungen geprägt.
So auch im Zentrum Sulawesis. Das Christentum konnte sich durchaus als offizielle Religion behaupten – auch gegen die Missionsbestrebungen des Islam. Seinerzeit legten die islamischen Missionare den Toraja nahe, anstelle der Schweineopfer doch lieber auf Ziegen umzusteigen. Ein lokalkulturelles Taboo – Ziegen gelten den Toraja als dumme Tiere, und die eignen sich daher überhaupt nicht zum Opfern. Also blieb man beim Schwein und somit beim Christentum – zumindest nach außen hin.

Aluk Todolo ist die ursprüngliche Religion des Toraja-Stammes. Sie wurde 1970 vom indonesischen Staat geschützt und in die Hindu-Bali-Gruppe eingeordnet. In seiner Entwicklung war Aluk Todolo stark von den Lehren des Konfuzius und des Hinduismus beeinflusst. Es ist ein dynamistischer, animistischer und polytheistischer Glaube. Der Schöpfergott ist Puang Matua – von ihm stammt alles ab. Durch Ausatmen erschuf er acht Ur-Eltern. Diese repräsentieren die gesamte unbelebte und belebte Natur, inklusive den Menschen. Diese sind gehalten, mit dem Schöpfer, der Natur und den Geistern in Harmonie und Gleichgewicht zusammen zu leben: die Natur zu schützen, den Schöpfer anzubeten und mit Opfergaben zu verehren.

Aluk Todolo ist ein starkes, einigendes Band für die Toraja. Diese Haltung schmiedet das Fundament, das so stark ist, dass sie sich, wo immer die Toraja hingehen, immer an ihre Heimatstadt, an ihre Tradition und Kultur erinnern und sich danach sehnen, dorthin zurückzukehren. Wo immer man auch lebt oder stirbt – am Ende muss man dorthin zurück, wo man wirklich herkommt. Das wollte ich mit eigenen Augen sehen.
Emergency Room
Aber: Meine erste Nacht in Toraja verbringe ich jedoch nicht im eigentlich geplanten traditionellen Tongkonan-Haus mit seinem weit geschwungenen Dach, sondern im lokalen Krankenhaus. Nicht, weil ich selbst erkrankt sei, sondern weil mein Reiseleiter Mas Kiki von plötzlichem Fieber befallen wurde. Üblicherweise sucht man Hilfe in der örtlichen Klinik in Makale. Die wenigen Krankenzimmer waren belegt. Also blieb nur die Wahl, den Patienten in der Notaufnahme über Nacht unter Kontrolle zu halten und mir gleich daneben eine Liegestatt auf dem Boden zu bauen. Als quasi Angehöriger musste ich mich um den Patienten kümmern, da das Personal eben nur medizinische Versorgung übernimmt, ansonsten aber keine Leistungen wahrnimmt.

Eine interessante Nacht: Die notdürftig bereitgestellten Decken für die Schlafstatt schützen nur rudimentär vor der Kälte und Härte des Boden. Unter dem eher symbolisch trennenden Vorhang zum Nachbarbett war alles zu sehen und zu hören, was die Nacht an weiteren Notfällen bereit hielt. Der Tod von gleich zwei Jugendlichen nach einem Motorradunfall, die vergebliche intensivmedizinische Notversorgung und die Klage der Freunde und Angehörigen ließ dann auch kaum die Möglichkeit, ein Auge zuzutun.
Ein Ausweg aus der Schlaflosigkeit – der gegenüber dem Krankenhaus liegende Warung – ein zur Straße hin offenes Restaurant im weitesten Sinne. Die in bescheidenem Indonesisch vorgetragene Bitte um einen heißen süßen Tee öffnete nicht nur die Herzen des Besitzers, sondern auch dessen Großzügigkeit. Nebst Tee und aromatischen Kaffee ein schnell entfachtes Feuer, Sate Ayam (Hühnerspieß) und viel Gesprächsstoff bis zur Dämmerung. Bei der Frage nach der Bezahlung eröffnet mir Mas Norbert müde, aber stolz: „Das kostet nichts. Wir kennen jetzt deine Geschichte. Du kümmerst Dich um einen von uns. Du bist jetzt unser Bruder“. Sogar ein süßer Tee für den Patienten war inklusive. „Saya suka sekali orang Toraja – Ich mag die Menschen von Toraya sehr“ – war mein herzliches Abschiedswort.

Hier wird eine Grundhaltung der Toraja beispielhaft deutlich: Sie schätzen ihre Gäste. Nach ihrem Selbstverständnis sind Gäste eine persönliche Ehre, ausländische um so mehr. Zugleich haben sie aber auch ihre ganz eigene Vorstellung von Integration. Wer zuzieht oder einheiratet, dessen Pflicht ist es, sich zu integrieren. Das heißt hier: Er muss die Tradition annehmen und mit ihr leben, verinnerlichen und zum Teil seines neuen Lebens in einem neuen Umfeld machen. Dann bleibt er auch willkommen. Er darf seine ursprüngliche wie auch immer geartete Religion gerne behalten.
Aber niemand käme in Toraja auf die absurde Idee, die eigenen Werte oder Traditionen aufzugeben, nur weil sie einem Fremden fremd sind. Neu dazu zu kommen ist eine Ehre für alle Beteiligten, aber es hat Konsequenzen. Diese Form der Leitkultur hat dazu geführt, dass die Toraja seit Jahrhunderten ihre großartige, reiche Tradition bewahrt und nicht verloren haben.
Indisches Erbe?
Man muss diese Menschen einfach mögen, auch wenn sie neben ihrer Offenheit und Freundlichkeit durchaus ein traditionelles, feudales Gesellschaftswesen pflegen. Auf die Frage, wo sie eigentlich sich selbst verorten, wo ihre Wurzeln und ihre Herkunft liegen, gibt Mas Patra gerne Auskunft: „Toraja – das hat zwei Stämme: Zum einen kann es heißen: Die Menschen, die in den Bergen leben. Diesen Namen haben uns unsere Nachbarstämme, die Bugis gegeben. Von ihnen aus gesehen leben wir ja auch in den Bergen. Aber das mögen wir nicht so sehr. Wir übersetzen lieber mit: Die Menschen der Könige“.

Beides hat wohl einen wahren Kern, denke ich und bin erstaunt, wenn er weiter ausführt: „Schau dir unsere Tongkonan-Häuser an. Sie sehen aus wie riesige Boote. Sie sollen uns daran erinnern, dass wir über das Meer gekommen sind.“ Wie auch immer – die Siedlungsgeschichte Indonesiens wäre eine eigene Geschichte wert.
Ich bringe diese im Dunkel der Geschichte verborgene Überlieferung zusammen mit anderen Indizien: Bei manchen lokalen Riten haben Pferde (die es ursprünglich nicht auf Sulawesi gab) einen zeremoniellen Auftritt. Vor dem Hinduismus war eine ursprünglich in Indien beheimatete Pferde-Religion weit verbreitet. Raja ist hindi und heißt König. Die Toraja-Gesellschaft ist wenn auch nicht nach Kasten, so doch klar hierarchisch aufgestellt; es gibt sogar eine Priester/Shamanen- und eine Kriegerklasse – dann deuten diese Hintergründe doch darauf hin, dass die Wurzeln dieser alten Kultur durchaus in Indien zu suchen, oder zumindest von diesem Kulturkreis beeinflusst worden sind.
Schnittchen oder Büffel?
Mythos und Mythen – Tradition und Kultur reichen sich hier wie überall geschwisterlich die Hand. Das, was die Menschen im innersten bewegt, was sie glauben und hoffen lässt, was ihnen hilft, die Welt zu erleben und zu erklären, das bringen sie ungeschminkt in Form – in Ausdruckshandlungen ihrer tiefsten Überzeugungen, insbesondere bei den Beerdigungsritualen der Toraja-Kultur.
Sie haben ihre ganz eigene Form der Trauerbewältigung gefunden. Der Ablauf der Vorbereitungen und die Durchführung der Zeremonien geben ihren den nötigen Halt, mit dem Unsagbaren umzugehen. Es ist der ihnen eigene lange Prozess, mit Hilfe der Riten dem Verstorbenen lebewohl zu sagen.

Ich kenne kaum eine Kultur, die sich nach dem Sterben und Beisetzen/Verbrennen/etc. ihrer Verstorbenen nicht noch zum Essen trifft. Wie auch immer man dieses anschließende Treffen nennt – meistens gibt’s in Deutschland Kaffee, Kuchen und/oder Schnittchen.

In Toraja gibt es aus diesem Anlass vor allem Büffel, und sehr viel Schweine, viel Essen und Palmwein, Tee und Kaffee, zur Unterhaltung Tanz und Musik, Prozessionen und vieles mehr. Die sechstägigen Beerdigungsrituale sind so umfassend, dass sie in der Darstellung ihrer Gesamtheit hier den Rahmen sprengen würden. Daher nur einige ausgewählte Ereignisse:
In Paradisum deducant te bubali
Hintergrund ist die Vorstellung, dass der Verstorbene – wie im Christentum – zwar in den Himmel kommt, aber mindestens genau so beschwerlich wie beim Reisen auf sulawesischen Landstraßen. Für die Ewigkeit bedarf es deshalb einer Unzahl an Büffeln, die den Verstorbenen auf diesem Weg ins Jenseits tragen und begleiten.

Der Verstorbene gilt aber nicht als tot, sondern zunächst nur als makula, krank. Deshalb treten nach dem Sterben sofort mehrere Maßnahmen in Kraft: Der Verstorbene wird zunächst mit einem Trocknungsprozess mumifiziert. Neuerdings benutzt man auch Formalin, um die Haltbarkeit im tropischen Klima besser zu garantieren. Familie, Kinder, Enkel, Freunde und Verwandte haben Zeit, den Verstorbenen noch einmal zu besuchen, zusammen mit ihm zu leben und sich zu verabschieden. Die Mumie ist teil der Hausgemeinschaft. Man bringt ihr Essen, berührt sie und spricht mit ihr. Der Tod wird nicht verdrängt, er wird in das Leben integriert.

Parallel dazu wird ein sogenanntes Tau Tau geschnitzt. Eine Holzfigur, die die Züge des Verstorbenen tragen sollte. Tau Tau heißt soviel wie „kleine Person“, manchmal spricht man auch von bombo di kita, was die Funktion besser bezeichnet: die Seele, die sichtbar ist. Diese Figur überwacht nämlich den Prozess der Mumifizierung, wie auch der späteren Zeremonien und trägt Sorge dafür, dass auch wirklich das ganze Ritual peinlich genau eingehalten wird.

Im Wohnhaus (großes Tongkonan) wird ein eigener Platz reserviert. Die Mumie wird dort in einem Sarg zunächst aufbewahrt und anschließend für drei Tage in eines der kleinen Tongkonan überführt. Diese dienen in der Regel als Lebensmittel- und Reisspeicher. Während dieser Zeit fasten die Familienangehörigen. Als Gegenleistung garantiert der Verstorbene für die Zukunft, dass die Speicher immer gut gefüllt sein werden.
Der reich geschmückte rot-goldene Sarg bleibt später in der Wohnung, bis die Zeit gekommen ist, die Beerdigungszeremonien abzuhalten. Da können schon einmal ein paar Jahre ins Land gehen.

Denn es bedarf riesiger Vorbereitungen. Ein großer Platz wird hergerichtet. Neue Tongkonan-Häuser werden eigens dafür gebaut. Das größte birgt den zu erwartenden Sarg, ein auf Säulen errichteter Festsaal für die Gäste, eine Ehrentribüne, der Platz zum Schlachten und Braten der Büffel und der Schweine, kleinere Tongkonan-Speicherhäuser für die mitgebrachten Lebensmittel und Opfergaben wie Reis, Früchte, Hühner und alles, was das fruchtbare Land bereit hält.
In langer Prozession wird der Sarg mit der Mumie zum Festplatz getragen, dabei geschüttelt, gedreht, gerollt und auf- und ab bewegt, damit der Geist des Verstorbenen die Orientierung verliert und nicht mehr den Weg nach Hause, sondern letztendlich zum Himmel findet.
Je höher im sozialen Ranking – um so ausschweifender der Sarg. Die Höchstgestellten erhalten einen Sarg in Form eines kleinen Tongkonan, die nächste Klasse wird von einem Drachen geschmückt, die Letzten werden entweder als Mann in einem Sarg in Büffelform oder als Frau in einem Schweinesarg bestattet.

Bevor diese traditionsreiche Inszenierung nun dem Festplatz und ihrem Höhepunkt zustrebt, tritt ein evangelischer Pastor oder katholischer Pfarrer auf – wenn es sich denn um einen verstorbenen Christen gehandelt hat. Diese stammen aus der Region Toraja und kennen sich mit den Gebräuchen aus. Sie beten ihre christlichen Sterbe- und Beerdigungsgebete, räumen dann das Feld und legen alles weitere in die Hände des Zeremonienmeisters. Die Religion ist das eine – die Rituale aber das andere.

Die Gäste – je mehr um so besser – ehren den Verstorbenen. Mit rhythmischen Stampfen der Reiströge wird die neue Besuchergruppe angekündigt. Die Klans kommen nacheinander, werden eigens begrüßt und empfangen, die Männer bilden einen Singkreis und ehren den Toten mit gemeinsamen Geschichten. De mortuis nihil nisi bene.
Do ut des
Jeder Gastfamilie bringt dann vor allem Büffel mit. Es wird peinlich genau Buch geführt, wer wieviele Büffel oder Schweine mitbringt. Bei der nächsten Beerdigung muss man eben wissen, wie viel man der anderen Familie schuldig ist. Unterm Strich bleibt also niemand irgend jemandem etwas schuldig. Eine Sterbeversicherung als rituelles Absicherungssystem auf Gegenseitigkeit.

Nach den Klagefrauen und deren herzzerreißendem Gesang müssen die Büffel den Weg zum Himmel bereiten. Das können sie aber nicht lebendig. Am Schlachten kommt man also nicht vorbei. Auch den vielen Schweinen steht dieses Schicksal bevor. Schließlich müssen ja die vielen Gäste verköstigt werden. So gehen auch diese den Weg alles Vergänglichen, und die scharfen Messer finden ihre blutige Bestimmung.

Das Blut wird nicht verwendet. Es versickert zwischen den ausgebreiteten Palmblättern im Boden und wird der Natur zurück gegeben. Der Rest wird in situ zerkleinert, auf Spieße gesteckt (Sate), als Ganzes über dem Feuer gebraten oder in kleinen Stücken im eigenen Saft in Bambusröhren über dem Feuer gekocht (Pa’piong). Herz, Nieren, Lunge und Leber geben einen guten Eintopf ab, die ungenießbaren Eingeweide aber hängt man an den nächsten Baum für die Geister oder die wilden Tiere – je nachdem, wer eben schneller ist.

Die Hörner dreier ausgewählter Büffel werden dann später – sozusagen als Memoriam – ihren Platz an der Vorderseite des Familien-Tongkonan finden. Je mehr sich dort im Laufe der Zeit ansammeln, um so renommierter ist der Klan.
Halal mit ohne Schwein
Unterdessen geleiten Krieger mit rituellem Dolch (Kris) und ein Shamane die neu angekommenen Gäste zum Speisesaal. Heutzutage hat sich die Toraja-Gesellschaft jedoch so vermischt, dass immer wieder auch muslemische Gäste zur Beerdigung erscheinen.

Dabei greift ein ganz besonderer Deal: Die Moslems bringen Schweine mit als Geschenk, bekommen aber im Speisehaus selbstverständlich und respektvoll ihr eigenes Essen, aber halal. Ein sehr symbiotischer Ansatz größtmöglicher Toleranz.
Ende gut – aber noch nicht vorbei
Zum Ende wird der Sarg in eigens aus dem Felswänden geschlagenen Gräbern beigesetzt und verschlossen. Natürliche Blumen sind teuer. Also kauft man sich künstliche, oder kann diese auch für einen bestimmten Zeitraum mieten. Wiederverwendbare Trauergebinde mit Nachhaltigkeitscharakter.

Neuerdings werden große Transparente gedruckt, die Bilder des Verstorbenen mit den Trauernden abbilden. Es wird also sehr bunt um die letzte Ruhestätte. Und natürlich findet das Tau Tau auch neben dem Grab seinen Platz und bewacht die Grabstätte.
Früher wurden die Särge auch an den Felswänden außen angebracht, oder in Höhlen getragen. Einige dieser Stellen sind noch zugänglich. Die Särge haben sich bereits aufgelöst. Geblieben sind die Gebeine, die man neu ordnet und denen man kleine Münzen oder Weihrauchstängel (Zigaretten) als Opfer bringt.

Jahre später wird das Grab geöffnet, der mumifizierte Verstorbene aus dem Sarg entnommen, gewaschen, gefüttert und neu eingekleidet, dann wieder beigesetzt. Manele – die Reinigung der Toten. Für die Toraja ist dies ein einzigartiger Moment, wieder mit den Verstorbenen zusammen zu sein, wenn auch nur für ein paar Stunden. Man freut sich, erinnert sich und ist glücklich. Für sie ist es ein Zeichen der Nächstenliebe.

Kinder, die als Frühgeburt sterben oder bevor sie die ersten Zähne bekommen, werden in Bäumen beigesetzt. Nach der Vorstellung der Toraja gehen die Körper dabei eine Einheit mit den Bäumen ein. Ihre Lebensenergie strömt in die Zweige und Äste des Baumes. Und wie diese sich schattenspendend ausbreiten über die Erde, so wird die Seele des Kindes als Segen auf die Menschen zurück kommen.
Memento Mori
Auch wenn es den Anschein haben möge, es handele sich um eine sehr morbide Gesellschaft – das Land und die Menschen strotzen vor Lebensfreude. Selbst der Tod hat hier Festcharakter. Die Freundlichkeit ist überschwänglich; die Lust, neuen Menschen zu begegnen ist ungebremst; der Gastfreundschaft kann man sich nicht entziehen; die Farbenvielfalt der Natur stellt jede Palette künstlicher Couleur in den grauen Schatten.

Die Menschen sind sich bewusst, dass sie einen reichen Schatz an Kultur für ihr Volk und für die Zukunft bewahren müssen. Es wäre nicht zu verschmerzen, wenn sie dies verlieren würden. Hoffentlich gelingt es den Toraja, dass ihr Aluk Todolo im Strom der modernen Welt nicht untergeht. Die Tau Tau werden bestimmt einen Blick darauf werfen.

Sorgen bereitet den Menschen der geplante Bau eines regionalen Flughafens. Natürlich erleichtert diese Planung die Anbindung an die Hauptstadt, auch zu den anderen Inseln Indonesiens. Wie aber mit zunehmendem Tourismus nachhaltig umgegangen werden kann, muss dann erst noch gelernt werden.
Auffallend ist auch der Neubau zahlloser Moscheen. Es bleibt zu hoffen, dass die Toleranz, die bisher auf allen Seiten ein Alleinstellungsmerkmal war, in Zukunft erhalten bleibt.

Wie gesagt – Toraja zu verlassen ist nicht ganz einfach, auch, weil man schnell sein Herz an diese Menschen, ihre Kultur und dieses Land verlieren kann. So fällt der Abschied schwer, aber mit dem Blick in die lachenden Gesichter Sulawesis kann man nur sagen: Semoga berhasil dan makasih ya, Toraja! Viel Glück und vielen Dank, Toraja!
von
Nungky Priasworo Pengasuh
und Jörg Dunsbach