Touch me!

Touch me!

haptisch – hab´Dich!

Kennen Sie Louis Koo? Mir war er jedenfalls immer unbekannt. Aber scheinbar hat dieser nunmehr 44jährige Schauspieler aus Hongkong soviel Anziehungskraft, Charme und Faszination ausgeübt, dass er nicht nur einen Stern auf der Avenue of Stars in Hongkong bekommen hat, sondern dass die hier zu sehende junge Dame es sich nicht hat nehmen lassen, ihr Hände in seine Hände, zumindest in die Abdrücke davon zu legen. So, wie das übrigens viele dort tun. Berührungspunkte der ganz besonderen Art.

anfassen erwünscht

Klingt bekannt? Klar doch! Was wird nicht alles an Geld ausgegeben, um irgendwelche „Reliquien“ von Stars und Sternchen bei Ebay zu ersteigern, nur um einmal zu sagen: Ich habe dies oder das angefasst, was einmal dieser oder jener berühmten Persönlichkeit gehört hat, nur um einmal ganz nah an einer Berühmtheit dran gewesen zu sein. Ich bin selber ganz stolz darauf, einmal die Lederjacke von Jimy Hendrix angezogen zu haben, die er bei seinem letzten Konzert in Deutschland 1970 getragen hat, sowie die Uniform von Matwei Prokopjewitsch Burlakow, des letzten befehlshabenden Generals der NVA, oder am Tisch der Zwei-Plus-Vier-Gespräche gesessen zu haben – alles im tiefen, staubigen Fundus des „Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ in Bonn.

Touch me!

Klingt immer noch bekannt, oder? Klar doch! Ist es doch eine uralte Sehnsucht des Menschen, etwas anzufassen. Säuglinge tun dies vom ersten Lebensalter an -, ist der Sinn des Greifens doch der erste, mit dem sie ihre Umwelt buchstäblich erfassen. Und deshalb erklärt es sich von selbst, wenn viele sagen: Was ich nicht sehen, hören, messen, definieren, ja anfassen kann, das ist für mich ohne Bedeutung. Ein Argument, das man gläubigen Menschen oft vorwirft.

Nun, da waren die Aportel wohl nichts Besonderes. Ich frage mich, was sie den Frauen am Ostermorgen nicht alles an den Kopf geworfen haben, als sie die unerhörte Nachricht von dem leeren Grab gehört haben. „Das kann nicht sein! Habt ihr euch das nur ausgedacht? Habt ihr irgendwas Nachprüfbares gesehen? Habt ihr euch das nur eingebildet? Gibt es Beweise?“

oh, Thomas!

Touch me!

Aber nur von Thomas wird überliefert, was viele sicherlich gefühlt oder gedacht haben haben. War er auch ausgerechnet nicht da, als Jesus in die Mitte der Jünger trat. Ich frage mich, was er zu tun hatte. Alle noch außer sich vom Geschehen des Karfreitages, verlässt er die Gruppe der Gleichgesinnten und gibt sich seinen Grübeleien hin. Kein Wunder also, dass er so schwer zu überzeugen ist. „Wenn ich nicht selbst ….“ anfassen, berühren, betasten, sehen, feststellen, beweisen, messen, … kann, dann glaube ich nicht. Also, Thomas hat alle meine Sympathien. Mit meiner großen Vorliebe zur Naturwissenschaft kann ich mich schon mal gerne auf seine Seite stellen und ihm Recht geben. Wenn ihm das Haptische, das Anfassen versagt bleibt, dann ist es eben auch nicht leicht, das alles zu glauben.

Und dennoch – was gibt es nicht alles, das wir nicht anfassen, berühren, betasten, sehen, feststellen, beweisen, messen können. Du liebst einen Menschen? Beweise es! … und es bleibt unmöglich, dies zu tun. Nur, um ein Beispiel zu nennen.

Touch me!

Also: Es bleibt ein Ausgestreckt sein zwischen Wissen und Glauben, zwischen der Sehnsucht nach Gewissheit und der Unsicherheit des Ungewissen. Thomas hat scheinbar diesen Spagat geschafft, wenngleich wir nicht wissen, ob dieser bei der späteren Begegnung mit Jesus denn tatsächlich die Hände in seine Wunden und Nagelmale gelegt hat. „Touch me!“ Fast schon aufdringlich wirkt die Aufforderung Jesu, ihn nun endlich anzufassen und zu glauben. Zumindest hat Thomas sich ansprechen lassen. Nicht er hat Jesus berührt, sondern Jesus hat ihn berührt. Eben in seiner Sehnsucht nach dem Begreifbaren. Und wahrscheinlich meint Jesus genau das: Selig zu sein, wenn man nicht anfassen und doch glauben kann. Ja, so jemand kann wirklich glücklich sein.

Jesus in my hands

Mir fällt es immer noch schwer, Ostern in seiner Vielschichtigkeit zu begreifen. Aber ich bin davon berührt. Vom Sterben, vom Leiden, vom Auferstehen, vom Leben. Und – ich möchte es wie Thomas ebenfalls anfassen, berühren, erleiden, lebendig werden lassen. Man kann niemals aus seiner Haut heraus. Denn wir sind und bleiben Menschen, die nicht nur mit dem Geist glauben, sondern mit Haut und Haaren, mit Seele und mit dem Leib.

Touch me!

Gut, dass Jesus am Abend vor seinem Sterben uns etwas hinterlassen hat, das sich nicht nur anfassen lässt. Um nochmals auf die Kleinkinder zurück zu kommen. Was tun die mit allem, was sie in die Hände bekommen? Klar, in den Mund stecken. Sich einverleiben. Sicher ein evolutionärer Reflex der Nahrungsaufnahme, aber viel tiefgründiger auch die Bewegung, alles um mich herum in mich aufnehmen zu wollen, ein Teil von mir werden zu lassen. Und so ist das mit diesem heiligen Brot, diesem lebendigen Nahrungsmittel für den Leib und die Seele, das den Weg über unser Anfassen und Einverleibt-werden sucht. Es wird Teil von uns selbst und wir Teil dieses Jesus, der die Brück schlägt zwischen dem Unfassbaren und doch Begreiflichen.

Touch me!

Ach, was wäre es so schön, wenn es eine „Avenue of Saints“, einen „Walk of Saints“, einen „Camino dei Santi“  in Rom gäbe: im Boden eingelassene goldene Heiligenscheine mit den Handabdrücken der Heiligen darin, von den Zeitgenössigen zurück über die Kirchenlehrerinnen und -lehrer bis hin zu den Aposteln und am Anfang: Jesus. Und man könnte selbst die Hände hinein legen und so einfach Gewissheit erlangen. Aber das werden wir nicht finden. Dafür aber den Auferstandenen, der uns berührt, der seine Hände in die unseren legt, und ganz am Schluss fest zupacken wird, um uns aus dem Tod heraus zu reißen. Na, das sind doch schöne Aussichten, oder?

In diesem Sinne frohe und gesegnete Ostern 2015  (siehe Osterfestkreis)

Herzlich

Jörg Dunsbach, Pfr.

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