Besuch im Isaan – Teil 2
Über das Waisenheim in Baan Gerda habe ich ja schon mehrfach berichtet. Unsere Gemeinde ist froh darüber, diesen Kontakt und die Unterstützung seit Jahren aufrecht zu erhalten.
Die Problematik von HIV/AIDS und die sich daraus ergebenden sozialen Konsequenzen sind aber so vielfältig und zahlreich, dass es natürlich auch noch andere Einrichtungen in Thailand gibt, die sich dieser Herausforderung stellen – zum Glück!
Während meines Besuchs bei den Steyler Missionaren in Nong Bua Lamphu (bei Udon Thani) durfte ich dann auch teilhaben am alltäglichen Leben im “Mother of Perpetual Help – Center“.
normal live
Bernd Ruffing SVD, der die Einrichtung leitet, und ein weiterer Brasilianischer Gast begleiteten mich auf dieser Entdeckungsreise. Ein Besuch bei Pfarrer Tuan, ein Steyler Missionar aus Vietnam, Einblick in das Rehabitilationszentrum und Gespräch mit den Patienten, ein Kurztrip auf die Farm, das Abholen der Jugendlichen des Heimes aus den umliegenden Schulen, erste schüchterne Kontakte mit den Kids bis hin zur gemeinsamen Gesangsstunde und anschließendes Pizza-Essen – all das war wiederum ein Tag, der mich tief beeindruckt und berührt hat.
Aber der Reihe nach: Zunächst die Arbeit von Pfarrer Tuan in seiner kleinen katholischen Gemeinde in einem buddhistischen Umfeld. Er, wie auch seine Kollegen, arbeiten natürlich unter besonderen Bedingungen. Wie mir auch einer seiner Mitbrüder berichtete, ist es gut, vor Ort die Situation so zu nehmen, wie sie ist und erst einmal nichts daran zu ändern.
interreligiöse Akzeptanz
Die Menschen brauchen Sicherheiten, um als Christen leben zu können. Und das buddhistische Umfeld stört sich solange nicht daran, wie die Christen auch ihren Alltag ruhig und ganz normal leben. Ein Ergebnis: In einer Nachbargemeinde nutzen nun die zum Großteil buddhistischen Jugendlichen den Vorplatz von Kirche und Pfarrhaus, um sich zu treffen – natürlich gefördert vom dortigen Pfarrer.
Ganz anders die Situation im Reha-Zentrum. Das ist vielleicht der bessere Begriff als Krankenhaus oder -station. Denn die Hilfe dort zielt nicht nur auf die medizinische Versorgung, sondern auch auf eine umfassende seelsorgliche Betreuung. Spezialisiert haben sich Bernd und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Pflege und Versorgung von HIV positiven Menschen. Viele kommen und gehen und können leben; viele kommen und bleiben; viele kommen und bleiben und sterben. In den allermeisten Fällen ausgestoßen von den eigenen Familien ohne soziale Bindungen oder finanzielle Mittel – und am schlimmsten: ohne menschliche Zuwendung.
vielfältige Hilfe
Jeder, der kommt, findet im Reha-Zentrum Hilfe, nicht nur medizinisch. Denn der Schaden, den die Seele durch diese Krankheit erleidet, ist oft viel tötlicher als das, was die Viren zerstören. Auch Menschen mit mentalen Störungen oder geistiger Behinderung finden hier ein Dach für Körper und Geist. Sie bedürfen einer besonderen Hinwendung, die sie dort auch erfahren.
Und dann am Nachmittag ab auf den Pick-Up und raus aufs Land über Buckelpisten zu den lokalen Schulen – Jugendliche einsammeln und in ihr Heim bringen, ins Baan Mae Maria – Haus Mutter Maria. Straßen mit Schlaglöchern, in denen man leicht einen Smart versenken könnte. Großes Erstaunen natürlich, wer da noch hinten mit auf der Pritsche saß. Oh, noch ein Farang! Und wer ist das? Ach, auch so einer von der Kirche. Aber das Eis war schnell gebrochen. Kam man sich doch schnell näher – klar bei dem Sintflut-Regen, der auch das Innere des halboffenen Wagens schnell unter Wasser setzte.
Nach dem Abliefern im Haus Maria und dem Versprechen, später wieder zu kommen, dann zurück zum Kommunitätshaus der Steyler Missionare. Dort wohnen einige Brüder und kommen zu regelmäßigen Gottesdiensten zusammen. Zum gegenseitigen Austausch, leben, feiern, beten, und auch mal, um unter sich zu sein – eben das ganze Programm. Schön, dass ich gebeten wurde, den Gottesdienst mit den Mitbrüdern zu feiern. Schon wieder, aber immer wieder so überraschend und beindruckend für mich – nämlich die große Internationalität von Kirche. So waren wir dann eine bunte Mischung aus einem Thai, einem Brasilianer, einem Vietnamesen und zwei Saarländern. Ein amerikanischer Kollege musste leider die siedenden Kochtöpfe hüten.
Eat Pray Love
Die kurze Predigt auf Englisch war dann auch kein Problem, aber die Gebete aus dem englisch-sprachigen Messbuch gehen mir immer noch nicht so flüssig über die Zunge – na ja, die Kirche hält das schon aus, und Latein ist auch keine wirkliche Lösung. Danach natürlich gemeinsames Abendessen und beladen mit Pizza, Schokoladenkuchen, Smarties, Palmenzuckerstücken, drei Säcken Mangostern (Früchte) und großer Erwartung wieder zurück ins Haus Maria zu den 9 Jugendlichen.
Bitte nicht stören! Gesangsstunde! Von wegen – wir mussten mitsingen. Und was für eine Überraschung! Die nächsten Kandidaten für TSDS stehen bereit. Tolle Stimmen, begeistertes Singen, strahlende Gesichter – ich kam mir vor wie bei meiner eigenen, lange zurückliegenden Zeit im Jugendchor.
Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht gab man mir dann auch ein Gesangbuch – in Thai natürlich. Man kann sich denken, was die Kids gedacht haben. Daher das Grinsen… Dieses erstarb dann aber auch schnell und wurde zum Staunen, als ich unerwarteter Weise beim Singen zumindest die Wort-Sätze mitverfolgen, entziffern und sogar mitsingen konnte – zumindest in nicht unerheblichen Teilen. Ich habe mich auch stets bemüht, den Sprachton mit der Melodie zu verbinden.
Thai? immer Hunger
Jedenfalls eine große Freude für alle Beteiligten. Und dann war auch die Pizza-Farang nicht schlecht. Gemeinsam um die Mikrowelle sehnsüchtig auf die heißen Teile warten und mit großem Genuss verputzen. Raubtierfütterung ist garnichts dagegen. Früchte und Süßigkeiten fanden dann auch diesen kulinarischen Weg alles Vergänglichen. Dazu der rudimentäre Versuch mit Thai-Brocken, Händen und Füßen, der Vermittlung von Bernd und der Schwestern mit den Jugendlichen zu sprechen. Irgendwie geht es dann immer – und vor allem wird dabei viel und herzlich gelacht. Kommunikation ist eben, wenn man sich trotzdem versteht!
Und dann? Ein Wunder! In das Haus von einer Thai-Familie eingeladen zu werden ist eher etwas ganz seltenes. Aber was waren die Kids so stolz, mir ihre kleinen Wohngemeinschaftshäuser zu zeigen. Ihr Eigenes -, das Bett, wer mit wem zusammen das Zimmer belegt, welches ihr Häuschen ist, wer lieber auf dem Boden schläft, usw. So stolz wie ein Besitzer eines neuen Eigenheimes. Ach, wie gerne hätte ich ihnen in fließendem Thai gesagt, wie sehr ich mich für sie freue…
Einladung zum Stadturlaub
Zum Abschluss, im Namen unserer Kirchengemeinde Bangkok, die Einladung an die Gruppe, mit Betreuern in die Hauptstadt zu einem verlängerten Wochenende zu kommen. Da war die Freude groß – ist es doch ein erheblicher Unterschied zum Nord-Osten. Termin steht auch schon fest: 22. -25 Oktober. Gartenparty im Pfarrhaus, Ausflug zum Strand, Besuch des Balettes beim Dance and Music Festival, sowie Besuch und Mitgestaltung der Sonntagsmesse in Bangkok gehören natürlich mit dazu. Wir suchen noch dringend Sponsoren, die uns den Transport im Mini-Van finanzieren ? Einen haben wir schon – Gott sei dank! Aber es reciht noch nicht!!!
Und daneben, mittendrin, am Rand oder äußerst engagiert – überall Bernd Ruffing mit seinen Mitarbeiterinnen. Diese übernehmen ganz klare mütterliche Aufgaben. Bernd bleibt so etwas wie der Vater. Zugänglich, distanziert, zurückhaltend, offenherzig, streng, kommunikativ, erklärend, entschieden, verspielt, und vor allem liebevoll und liebenswürdig. Fast schon ideal… Zumindest mit einem hohen Maß an Idealismus und Kreativität, um den Kindern Vorbild, Vater, Betreuer, Lehrer und Partner zu sein.
In der Nachschau hat mir Bernd dann die Dokumentation über die Jugendlichen zugeschickt. Die tragischen Lebensgeschichten gleichen sich alle, wenn auch mit geringfügigen Unterschieden. Schicksale, die nicht nur diese Kinder teilen, sondern so zahlreich sind, dass es einem die Tränen in die Augen treibt. Und immer wieder das traurige Thema HIV – Thema mit Variation. Hier auch ein Einblick in die Biographien. Es zerreißt einem das Herz…
Hope hope hope
Ob nun Baan Gerda, ob Haus Mutter Maria, ob was auch immer – alle diese Einrichtungen in Thailand und weltweit geben Kindern und Jugendlichen eine Hoffnung. Sie haben in der Vergangenheit schon Schlimmes erlebt – sie werden auch in Zukunft noch Schlimmes erleben. Aber hier, jetzt und heute haben sie ein Dach für Leib und Seele. Hoffentlich werden sie mit der Hilfe ihrer Erzieherinnen und Erzieher so stark, dass sie all das aushalten können, was das Leben noch an schweren Dingen für sie bereit hält.
Dass das Ganze auch eine finanzielle Seite hat ist selbstverständlich. Hier eine ganz kurze Übersicht über die anfallenden Kosten und wie man helfen kann. Ich möchte Mut machen, sich zu einer Spende durchzuringen. Sollten Sie also tatsächlich ihrem Herzen einen Ruck geben, dann kann ich persönlich dafür garantieren, dass alle Spenden “Eins zu Eins“ dort ankommen und entsprechend verwendet werden – ohne bürokratische Abstriche. Für Fragen stehe ich Ihnen natürlich immer gerne zur Verfügung. In Zukunft werde ich selbst dort öfter zu Gast sein.
Ein Teil meines persönlichen Credo: Das Leben in all seinen Höhen und Tiefen so zu erleben, wie es nun einmal ist. Dies wurde in diesen Tagen in Nong Bua Lamphu wieder einmal Wirklichkeit. Und dafür bin ich erneut sehr, sehr dankbar.
Herzlich
Jörg Dunsbach, Pfr.
Weiterführende Infos:
> Die Biographien der Kinder
> Hier der Überblick über die Struktur der Einrichtungen
> Hier ein Überblick über die Arbeit der Steyler Missionare in Nong Bua Lamphu
> Ein Blog eines Missionars über das Haus Mutter Maria
> Hier ein Einblick in das Reha-Zentrum
> Und hier eine detaillierte Möglichkeit, wie man helfen kann