Als Jugendliche habe ich dieses Zitat aus der Bibel (Psalm127) gehasst. Kam es doch immer, wenn mein naturwissenschaftlich begabter Bruder wieder einmal mit einer 1+ in der Mathe- oder Physikschulaufgabe nach Hause kam, für die er noch nicht einmal geübt hatte. Und ich? Ich musste mich für viel schlechtere Ergebnisse plagen und gehörte somit offensichtlich nicht zu den „Seinen“ Gottes…?
Den einen fliegt scheinbar alles zu, selbst die Lösung schwierigster Probleme fällt ihnen in den Schoß, während sich andere abstrampeln müssen ohne nennenswerten Erfolg – das ist nicht gerecht, aber leider Fakt.
Und der Schlaf – die einen schlafen tief und fest, wie ein Baby, andere drehen sich unruhig hin und her, liegen stundenlang wach und wälzen sich am Morgen übermüdet aus dem Bett – auch das ist nicht gerecht, aber Tatsache.
Daraus aber auf ein besonders Geliebt- oder eben Nicht-Geliebt-Sein von Gott zu schließen, ist allerdings falsch.
Wenn von den „Seinen“ Gottes die Rede ist, dann sind WIR gemeint, unabhängig von Erfolg oder Leistung. Jeder, der zu Gott gehören möchte, ist einer der Seinen.
Was soll dann das Zitat bedeuten?
Wenn wir den Psalm von Anfang an anschauen, steht da:
Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut… Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und euch spät erst niedersetzt, um das Brot der Mühsal zu essen; denn der Herr gibt es den Seinen im Schlaf.
Das heißt: wenn wir nicht mit Gott rechnen, wenn wir alles alleine schaffen wollen oder glauben, schaffen zu müssen oder, wenn wir uns keine Verschnaufpause zugestehen, dann besteht die Gefahr, dass wir uns umsonst abstrampeln, dass wir immer angestrengter, immer verbissener unser Ziel erreichen wollen und es gerade deswegen verfehlen.
„Den Seinen gibt´s der Herr im Schlaf“ ist eine Erinnerung daran, dass wir eben nicht alleine sind, dass wir darauf vertrauen dürfen, dass jemand da ist für uns! Dass wir unsere Bemühungen, unsere Sorgen und Ängste, aber auch unseren Ärger, unsere Verbitterung und unsere Verletzungen abgeben dürfen an Gott, zumindest einmal für die Nacht. Sei es im Abendgebet, in einer Atemmeditation oder auf einem Zettel, den man buchstäblich ablegen kann – bei Gott ist alles gut aufgehoben und wir brauchen uns wenigstens in der Nacht nicht damit abzumühen.
Und wenn wir dennoch zu Unzeit aufwachen und die Sorgen wiederkommen, dürfen wir uns sagen: Ich habe für heute getan, was ich konnte, es ist genug. Ich darf auf Gott vertrauen!
Beate Czabaun