Guter Vater, starker König, mächtiger Herr, mein Fels, meine Burg, mein Retter… es gibt viele Bilder, die Aspekte von Gott veranschaulichen. Eines, das mir besonders gefällt, ist das des Adlers.
Wissen Sie, wie Adler ihren Jungen das Fliegen beibringen?
Sie hüpfen nicht wie Amseleltern auf dem Boden vor ihren Küken herum und flattern ihnen etwas vor, bis sich die Jungen das abgeschaut haben, nein, sie werfen die sich sträubenden Küken, wenn sie alt genug sind, aus dem Nest, das in der Regel hoch oben auf einer Klippe gelegen ist. Ganz ohne vorherige Flugversuche, einfach so. Und die Jungen? Im freien Fall zappeln sie mit den Flügeln und versuchen zu fliegen. Aber es gelingt nicht immer…
Und dann?
Wenn der Jungadler zu sehr ins Trudeln gerät und abzustürzen droht, schießt auf einmal der alte Adler, der scheinbar unbeteiligt seine Kreise gezogen hat, steil nach unten und fängt sein Junges auf seinen ausgebreiteten Schwingen auf und trägt es wieder nach oben, um dann wieder abzutauchen und das Küken wieder selber fliegen zu lassen. Das Spiel beginnt von vorne, bis der junge Adler sicher fliegen kann.
Im 5. Buch Mose (Dtn 32.10 b-11) wird genau das beschrieben und als Bild für Gott gebraucht: er gab auf ihn Acht / und hütete ihn wie seinen Augenstern,/ wie ein Adler sein Nest ausführt / und über seinen Jungen schwebt, / seine Schwingen ausbreitet, eines von ihnen aufnimmt / und es auf seinem Gefieder trägt.
Oder wie es in dem alten Kirchenlied heißt: „Lobe den Herren, der alles so herrlich regieret, der dich auf Adelers Fittichen sicher geführet, der dich erhält, wie es dir selber gefällt, hast du nicht diese verspüret?“
Es schwingt ungeheuer viel Freiheit und Zutrauen in diesem Bild mit: Die Freiheit, selbst fliegen zu dürfen und es im eigenen Tempo lernen zu können, das Zutrauen, dass der Flugschüler es schafft, mit Unterstützung vielleicht zu Anfang, aber dann zunehmend alleine und das Zutrauen, das wir in Gott haben dürfen, dass er uns nicht allein lässt bei unseren Flugversuchen, bei unserem Weg durchs Leben. Dass er da ist, vielleicht nicht um jede Böe, die wir selbst durchstehen können, abzufedern, aber um uns aufzufangen, wenn wir abzustürzen drohen.
Beate Czabaun